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Cry and Shout

Unser neues Release Cry and Shout ist ab heute oder in Kürze auf allen üblichen Streamingdiensten (hier exemplarisch amazon und Spotify) verfügbar. Auch hier im Blog kann man es sich auf dieser Seite anhören. Manche unserer Texte haben eine Vorgeschichte, keine die man sich immer anhören will, die man sich aber manchmal anhören muss. Lassen wir Bernd zu Wort kommen.

Afghanistan. Masar i-Sharif, der Norden.  Camp Marmal, eine Militär-Stadt mitten in der kargen Wüste, so groß, dass schwere Transportmaschinen mittendrin landen können. ISAF. Längst Geschichte. Ich bin als Reporter an Bord einer damals noch üblichen Transall dort gelandet. Im Sturzflug, um möglichst kurz möglichem feindlichen Beschuss ausgesetzt zu sein. Als die Heckklappe aufgeht, ist mit einem Schlag all das Realität, was ich vorher nur aus Berichten kannte. Kalte Wintersonne blendet mich, staubige Jeeps und Radpanzer rollen durch dieses gewaltige Lager, 19 Nationen sind hier vereint. Überall röhren Diesel. Wer hier Dienst tut, hat immer eine Waffe am Oberschenkel. Ich nehme alle Eindrücke auf, die ich kriegen kann – führe ein Interview nach dem anderen – spreche auch ohne Recorder mit Soldatinnen und Soldaten. Alle sagen: „Mein Land hat mich hierhergeschickt. Aber bei mir zu Hause interessiert es kaum jemanden. Alles was wir wollen ist Respekt“. In Deutschland spricht ein Verteidigungsminister erstmals von Krieg.

Shelter, Zelte, Hangars, Restaurants, kleine Läden, ein Frisör. Hier steht auch ein Lazarett aus Containern – hochmodern. Drinnen: Bilder von afghanischen Kindern überall. Einheimische werden hier kostenlos versorgt. Friedensbildung. Der Oberarzt ist ein Baum von Mann in Flecktarn. Gerade erst habe er einem jungen Schweden die Beine abnehmen müssen. Irgendein dreckiger Sprengsatz irgendwo an einer Straße. Er bebt, als er das sagt. Der junge Mann habe nur noch vier Wochen Dienstzeit in diesem Camp gehabt.

Am Abend kommt die Nachricht: Ein Toter wird ins Lager gebracht. Bundeswehr. Damals wusste ich noch nicht, was genau passiert war. Viele Soldaten schweigen, rauchen, wollen nicht reden. Es ist kurz vor Weihnachten.

In Dunkeln ist der Sarg aufgebahrt. Darauf die Flagge. Sein Helm. Ein Bild. Fackeln. Ehrenwache. Ein Kondolenzbuch liegt aus. Ich weiß nicht, was hier richtig ist. Ich spreche kurz und leise mit dem Lager-Kommandeur. Er bittet mich etwas in dieses Buch zu schreiben, es wäre allen hier eine Ehre. Meine Handschrift war kaum lesbar. Ein Afghane verkauft mir ein blaues Halstuch und eine Dose Bier.

Die Nacht habe ich in einem Truppenzelt verbracht. Hubschrauber fliegen permanent rein und raus, Scheinwerferkegel beleuchten Lasten, Befehle werden gebrüllt, staubige US-Amerikaner kommen von ihren Patrouillen. Dieses Camp schläft nicht. Die wummernden Rotoren tragen mich in den Schlaf.

Am nächsten Tag das Ehren-Spalier, mehr als einen Kilometer lang. Ein eiskalter Morgen. Ich stehe an der Ladeklappe der Transall, die den Sarg aufnimmt. Auch ich steige ein.„Cry and Shout“ erzählt diese Geschichte. Für alle da draußen. Für die, die sie dort hinschicken. Und für die, denen das alles nicht egal ist.

Bernd

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